Fiingfühl
Ich kann oftmals erahnen, was andere denken oder fühlen. Nehme Geräusche und Farben/Formen intensiv wahr und möchte intuitiv, dass es stimmig ist. Dass ALLES stimmig ist. Dass es ästhetisch aussieht. Und dass es harmonisch ist. Sei dies das Zwischenmenschliche. Oder das, was ich in einem Raum sehe. Schlechte Stimmung drückt mich oftmals runter und ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich das fühle oder ob ich das Gefühl von der anderen Person im Raum übernehme. Dass dies nicht "normal" ist und dass Hochsensibilität ein Phänomen ist, dass gerade mal 15-20% der Bevölkerung betrifft, hätte ich nicht für möglich gehalten. Ich dachte mir, dass es halt so ist. Dass alle so fühlen. Aber so ist es nicht. Dieser Text ist ein Herzenstext an alle, die möglicherweise ähnlich fühlen. Die denken, was ich lange dachte: Was ist nicht in Ordnung mit mir? Warum bin ich so? Und: Was mach ich mit dieser Fähigkeit oder eben mit dieser Last? Leg dir mal eine dickere Haut zu. Nimm’s doch nicht so persönlich. Ja, ich weiss. Ja, will ich ja nicht. Aber ich tat es trotzdem. Was ist nur los mit mir? Am Anfang sah ich alle Nachteile der Hochsensibilität. Die bitteren Pillen. Die Verletzlichkeit. Die Andersartigkeit. Doch das ist nur die Hälfte. So zu sein, birgt enorme Chancen und ich durfte nach der Erkenntnis, feinfühlig zu sein, meine Fähigkeiten entdecken und getraute mich endlich, meine Wahrheit zu leben.
Ich werde euch am Ende 3 Bücher empfehlen, welche mir eine enorme Last von den Schultern genommen und mich befreit haben. Welche mir gezeigt haben, dass ich absolut okay und genau richtig bin, so wie ich eben bin. Dass meine Feinfühligkeit okay ist. Dass sie eine Chance ist.
Nachdem ich oftmals das Gefühl hatte, irgendwie anders zu sein, willigte ich eines Tages ein, das Buch "zart besaitet" zu lesen. Es fasst die noch sehr jungen Forschungsergebnisse im Bereich "Hochsensibilität" zusammen und erklärt die damit zusammenhängenden Empfindungen. Es erklärt die Begabungen, welche daraus resultieren sowie die Gefahren, welche diese hochempfindsame Wahrnehmung mit sich bringt. Ein Freund empfahl es mir. Ich & hochsensibel? Ich bin doch taff, stark und nicht verweichlicht, labil und schwach. Widerwillig habe ich das Buch eingepackt. Doch neugierig war ich... und irgendwo in meinem Innern spürte ich, dass ich möglicherweise einiges verstehen könnte mit Hilfe dieses Buches.
So war es auch. Ich las danach auch noch das Buch "Die Berufung für Hochsensible" und erkannte darin, dass meine Suche nach dem passenden "Herzensjob" für mich auch eine Suche danach ist, mein Herz entfalten und meinen Sinn für Ästhetik, mein Gespür für Feinheiten sowie für Gefühle und Gedanken anderer in meine Arbeit einfliessen lassen zu können. Ich sehnte mich danach. Ich wollte echt sein. Ich wollte ich sein. Und ich wollte alle meine Fähigkeiten und Feinheiten in eine Waagschale werfen und richtig gut sein in dem, was ich tat.
Als Primarlehrerin kann ich bedingt kreativ sein. Das Einfühlungsvermögen hilft zwar enorm, eine Beziehung zu den Kindern aufzubauen. Und von den Kindern kommt zweifelsohne auch mega viel zurück. Aber ich bin regelmässig überflutet gewesen von so vielen Reizen (Geräusche, Gefühle, Farben, Gerüche...), dass meine eigentliche Begabung teilweise zugeschüttet wurde. Es war den ganzen Tag lang niemals möglich, allen gerecht zu werden. Oder ich empfand es zumindest so. Wenn ich mir Zeit nehmen wollte für ein Kind, spürte ich intensiv, wie andere diese Zeit auch brauchten und nochmals andere dies ausnutzen, um laut zu sein und nicht das zu tun, was verlangt wurde. Sie rangen nach Aufmerksamkeit. Ich wollte sie ihnen geben. Ihnen allen. Erschöpfung resultierte daraus. Und das traurige Gefühl, nicht allen gerecht geworden zu sein am Ende des Tages. Obwohl ich es so sehr versuchte. Dies dann eben NICHT persönlich zu nehmen, fiel mir extrem schwer. Nicht zu denken: Ich habe versagt war extrem schwer. Ich habe es geschafft, indem ich mich enorm mit mir selbst auseinandergesetzt habe. Viel über psychologische Themen gelesen habe und meine Hochsensibilität annahm. Mich annahm. Ich habe es geschafft indem ich diese Website als Herzensprojekt neben dem Lehrerinnen-sein aufgebaut habe. Und indem ich weniger streng zu mir bin. Nun geniesse ich beides in vollen Zügen. Die Kids & die Beratungen. Ich fühle mich so ausgeglichen wie nie zuvor.
An dieser Stelle ein riesiges Dankeschön an alle Lehrpersonen da draussen. Ihr macht einen riesigen Job. Und alle, die jetzt den Kopf schütteln und denken, dass ich übertreibe: Ich tu es nicht. Es wird heute unfassbar viel verlangt. Und Abgrenzung ist sehr schwierig. Es gab Zeiten, da fühlte ich mich auch verantwortlich für ein Kind meiner Klasse, wenn es am Samstag auf dem Pausenhof randaliert hat. Am Samstag. An einem freien Tag.
DANKE an alle LehrerInnen.
Und danke an die AutorInnen der drei Bücher zur Hochsensibilität. Mich darin zu erkennen war eine Befreiung. Und ich schäme mich nicht mehr dafür. Im Gegenteil. Ich bin stolz, dass ich mit meiner Feinfühligkeit die Fähigkeit besitze, so vieles zu geben.
Ich weiss, ich habe erst zwei Bücher erwähnt. Das dritte heisst "Wenn Frauen zu viel fühlen". Wenn du dich irgendwo in diesem Blogartikel wiedererkannt hast, leg ich dir diese Bücher ans Herz.
1. Zart besaitet : Georg Parlow
2. Die Berufung für Hochsensible: Luca Rohleder
3. Wenn Frauen zu viel spüren: Sylvia Harke
Ich hab mich selbst lange abgelehnt. Bis ich all das akzeptiert habe. Seid lieb zu euch. Ihr habt es verdient.
Ihr seid perfekt, genau so, wie ihr seid.
Misch.
xxx